Frau sitzt traurig guckend vor ihrem Bürofenster
30. August 2022

Quiet Quitting: Fluch oder Segen

Häufig wechselnde Phänomene gibt es in der Arbeitswelt immer wieder. So erschien der Begriff Quiet Quitting zunächst auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt, bevor er nun immer öfters auch in unserer Arbeitswelt auftaucht. In den letzten Jahren wurde viel über Hustle Culture diskutiert. Hustle Culture bedeutet, dass man sich mit hohem Ehrgeiz im Beruf engagiert. Überstunden und Vernachlässigung des Privatlebens sind selbstverständlich, die Karriere steht im Lebensmittelpunkt.

Was ist Quiet Quitting?
Wörtlich bedeutet Quiet Quitting “Leise kündigen“ und ist das Gegenteil von Hustle Culture. Erste Veränderungen waren schon während der Pandemie spürbar. Sich für Arbeitgeber:innen zu opfern, das wollten besonders junge Arbeitnehmer:innen immer weniger. Sie machten pünktlich Feierabend, und verrichten nur noch die unbedingt nötigen Aufgaben. Mehr Stunden mit Freund:innen und Familie – vor allem aber mehr Zeit für sich selbst – das ist vielen heute wichtiger als der Job.
Quiet Quitting ist also das Verringern der persönlichen Arbeitsleistung auf das vertraglich vereinbarte Minimum. Überstunden werden vermieden und zusätzliche Aufgaben oder Projekte werden möglichst nicht angenommen.

Die Macht der sozialen Medien
Der Begriff Quiet Quitting kursierte in sozialen Medien seit ein TikTok-User namens ‚zaidleppelin‘ am 25. Juli unter seinem Video postete: „Ich habe gerade vom Begriff ‚Quiet Quitting‘ erfahren. Also wie man seine Stelle zwar nicht direkt an den Nagel hängt, aber damit aufhört, im Job sein Bestes zu geben.“
Seitdem wird TikTok von Videos überflutet, in denen meist junge Angestellte verraten, wie sie jeglichem Arbeitsstress aus dem Weg gehen. „Erledige auf keinen Fall mehr als das absolute Minimum, um nicht entlassen zu werden“, so formuliert es ein User. Viele Menschen sind besonders zu Beginn ihrer Karriere in den sozialen Medien und auf TikTok aktiv. Sie sehen, dass andere möglicherweise genauso fühlen wie sie, und spüren diese gemeinsame Erfahrung und Gemeinsamkeit.

Quiet Quitting: warum gerade jetzt?
Dazu gibt es verschiedene Theorien. Naheliegend scheint diese zu sein: Die Pandemie hat vielen Angestellten gezeigt, dass sie für ihr Unternehmen entbehrlich sind, obwohl sie vielleicht jahrelang all ihre Kraft in den Job investiert haben. Viele wurden freigestellt oder in Teilarbeit geschickt. Das hinterließ kein gutes Gefühl. So mancher überlegt sich nun, ob die gebrachten Opfer es überhaupt wert waren oder ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, nur das absolute Minimum an Leistung zu bringen. Viele Menschen waren auch frustriert, als Manager:innen auf bestimmten Regeln bestanden, wie z. B. die Rückkehr zur persönlichen Arbeit, was zu mehr Burnout und Frustration führte.
Der momentane Generationenwechsel ist ein weiterer Grund. Mit dem Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt ändern sich auch Werte und Vorstellungen. Die Überzeugungen von Millennials und Gen Z sind immer präsenter. Hierzu zählt zum Beispiel die klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit sowie das Motto “Arbeiten um zu leben”, während ältere Generationen oft bewusst oder unbewusst „lebten um zu arbeiten“. Gen Z und jüngere Arbeitnehmer:innen berichten auch, dass sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit weniger sinnvoll ist. Berufstätige der Generation Z hatten außerhalb der Pandemie nur sehr wenig Arbeitsplatzerfahrung. Die Trennung zwischen Arbeitsleben und Freizeit ist für sie selbstverständlich und erstrebenswert.
Das Gehalt dürfte ein weiter Grund sein. Der Verdienst bei langer Betriebszugehörigkeit stagniert oft, während Personen, die den:die Arbeitgeber:in häufiger wechseln, beachtliche Gehaltssprünge vorweisen können. Zwischen 5 und 20% mehr Gehalt kann ein Unternehmenswechsel mit sich bringen, zeigen Karriereplattformen (siehe https://karrierebibel.de/jobwechsel-gehalt/).

Missverständnis: Quiet Quitting
Der Begriff „Leise kündigen“ ist etwas irreführend, weil man meinen könnte, dass die Arbeitnehmer:innen zu wenig in den Beruf investieren. Das ist eindeutig falsch, sagte Kathy Caprino, eine in Connecticut ansässige Karriere- und Führungstrainerin für Frauen und Autorin von „The Most Powerful You: 7 Bravery-Boosting Paths to Career Bliss“. „Es geht darum, mit der Arbeit aufzuhören, die über das hinausgeht, wofür sie eingestellt wurden, und dafür nicht entschädigt zu werden“, sagte sie. „Die Mitarbeiter:innen sind immer noch hervorragend in ihrer Arbeit, aber sie machen dafür keine Überstunden“, sagte die ehemalige Ingenieurberaterin Paige West gegenüber CNN. „Während ich in meinem 9-to-5-Job war, arbeitete ich immer noch 40 Stunden pro Woche. Ich erfülle immer noch meine beruflichen Pflichten. Ich nahm nur dieses Gefühl von Stress, das ich hatte“, sagte sie.

Was bedeutet Quiet Quitting für Arbeitnehmer:innen?
Bewerten Sie Ihre Prioritäten.
Um Überarbeitung zu vermeiden, müssen Sie lernen, wo Ihre Grenzen sind. Was sind Ihre Prioritäten? Überlegen Sie, bei welchen Aufgaben Sie sich erfüllt fühlen und bei welchen weniger. So können Sie lernen, was Ihren wichtig ist und was Sie in Ihrer Karriere erreichen wollen.

Teilen Sie Ihre Bedürfnisse mit
Nachdem Sie bestimmt haben, was Ihre Position sein sollte, um mit Ihrer Arbeit erfolgreich und glücklich zu sein, sprechen Sie am besten mit Ihrem Vorgesetzten. Kommunikation ist der Schlüssel. Sie haben eine Vorstellung davon, was Ihre beruflichen Verantwortlichkeiten sind, Ihr:e Chef:in hat vielleicht eine ganz andere.

Wenn Sie für jede zusätzliche Arbeit, die Sie übernommen haben, eine angemessene Vergütung erhalten wollen, zeigen Sie Ihrem:Ihrer Vorgesetzten Fakten über Ihre Arbeitsleistung und was Sie bisher erreicht haben. Sprechen Sie auch mit Ihren Mitarbeiter:innenn. Aus Sicht der Manager:innen ist es wichtig, die Mitarbeiter:innen zu verstehen und sicherzustellen, dass sie sich in ihren jeweiligen Rollen unterstützt fühlen. Führungskräfte sollten sich darauf konzentrieren, regelmäßige Gespräche zu führen und Beziehungen zu ihren Mitarbeiter:innen aufzubauen. Die Verantwortung der Arbeitgeber:innen besteht darin, herauszufinden, was die Menschen als fair empfinden, und das dann auch zu tun.

Ist Quiet Quitting ein „Muss“?
Natürlich nicht. Arbeitnehmer:innen sollten nicht generell nur das Minimum leisten. Wenn die Arbeit Spaß macht oder man entsprechende Anerkennung erhält in Form von Lob/Feedback, monetär, zusätzlicher Freizeit oder anderen Zusatzleistungen kann das durchaus für beide Parteien in Ordnung sein. Ist das nicht der Fall, ist es auch richtig, das zu leisten, was vereinbart ist – und nicht mehr. Heute sollte niemand das Gefühl haben müssen, etwas zu tun, das nicht in das vereinbarte Leistungsbild des Jobs passt.
„Wie geht man mit einem „Quiet Quitter“ am besten um?“, fragen Chef:innen in sozialen Netzwerken und bitten um Rat, wie passive Angestellte möglicherweise doch noch motiviert werden könnten. Die Tipps lauten: mehr Pausen, ein freundlicheres Arbeitsklima oder verbesserte Karrierechancen. Zudem wollen Arbeitnehmer:innen zurecht Anerkennung für ihre Leistung,

Fazit: Mehr denn je gibt es vielfältige Krisen im Berufsleben. Burnout, Konflikte mit Kollegen, Arbeitsüberlastung, Unzufriedenheit mit dem Aufgabenbereich sind nur einige der typischen Situationen. Quiet Quitting will eine Antwort darauf sein.